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Kommentar: Der Feind hört mit!
Ein persönliches Statement zum "Spionage-Skandal"

(Image)“I think it’s important to recognize that you can’t have 100 per cent security and also then have 100 per cent privacy and zero inconvenience”
- Barack Obama, Präsident der USA und Friedensnobelpreisträger.



Man erinnere sich ein bisschen zurück - gar nicht mal so lange. Bis etwa Juni diesen Jahres war das Thema Spionage eher so definiert: Die bösen Chinesen nutzen die Firmen Huawei und ZTE zur Spionage - gerade gegen die USA. Der US-Kongress ist der Auffassung, diesen Konzernen könne nicht getraut werden.
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Bis Juni war die Welt also noch in Ordnung. Die USA, welche die westliche, zivilisierte Welt beschützen, gegen die bösen Produktkopierer aus Fernost. Das ist als Bürger eines Landes dieser westlichen, zivilisierten Welt natürlich auch eine äußerst angenehme Situation. Denn der Feind meines Freundes ist auch mein Feind, und mein Freund beschützt mich vor diesem Feind. Friede-Freude-Eierkuchen.

Einen großen Anteil im Schutzkonzept hat der US-Geheimdienst NSA - National Security Agency. Und im Fall dieser Behörde ist das Wort "geheim" auch ernst zunehmen: Nicht mal das Budget der NSA ist öffentlich. Gerade zu grenzenlos müssen ihre Möglichkeiten sein, uns alle vor den Feinden zu schützen.

Ausgerechnet aus diesem Hort des Schutzes, aus dem Land, in dem Freiheit und Menschenrechte fließen, der Welt, die viel zivilisierter ist als alles andere, da kommt er her. Er ist Edward Snowden - ein ziviler Mitarbeiter der NSA. Und er sollte es uns allen echt schwer machen.
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Denn was er uns - mehr oder weniger direkt - alles mitbringt, sollte - neutral betrachtet - das Verhältnis zu den USA ins komplette Gegenteil kehren.
Um es kurz zu machen: Wir werden alle ständig und überall von der NSA (sowie den anderen Geheimdiensten der Five Eyes) überwacht. Und das nicht nur, weil der ein oder andere unter uns Terrorist ist - sondern einfach, weil sie es können. Mit dem Wort "alles", das ja häufig genutzt wird, um eine große Menge zu beschreiben, ist in diesem Fall aber wirklich alles gemeint. Die feuchten Träume von Hans-Peter Friedrich werden Realität.

Warum ist das also für uns so problematisch? Zum einen, weil die meisten Menschen nicht möchten, dass sie ständig überwacht werden. Zum anderen aber, weil diese Überwachung vom besten Freund der BRD durchgeführt wird.

Aber sollte das uns wundern? Ist es eine Überraschung, dass die NSA uns alle überwacht? Dass eine Behörde, die nahezu unbegrenzte finanzielle Mittel besitzt und in einem Land angesiedelt ist, in dem die meisten Gesetze eher Schmuckwerk sind und mit dem Buzzword "Terror" sofort ausgehebelt werden können, sich diese Freiheiten nimmt? Dass eine technische Möglichkeit der Totalkontrolle genutzt wird?
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Eigentlich nicht. Zumindest uns nicht (Tante Friede wird das schon eher überraschen). Denn vermutet hat man es schon immer. Allerdings sind Vermutungen und Gewissheit immer noch zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Und so ging ein Ruck durch die Nation, wie fies und böse das Ganze sei. Aber dann war Schluss. Denn schließlich sind die USA ja unsere Freunde, und Mutti und ihr - naja, der Pofalla halt, haben deshalb festgestellt, dass der Aufruhr vorbei ist.

Doch ganz so kommt es dann doch nicht. Immer neue Enthüllungen heizen die Diskussion weiter auf. Bis das eigentlich Unmögliche geschieht: Bundeskanzlerin A. Merkel wird offenbar auch - wie jeder x-beliebige Bürger - überwacht. Ein Skandal! Ab da ist das Kuscheln mit den USA zum ersten Mal seit Bekanntgabe der Affäre vorbei.

Es werden Forderungen gestellt, Gesetze überdacht und in die USA geflogen. Denn dass die Amerikaner die Frau Merkel überwachen, das ist natürlich nicht mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar.

Und jetzt? Nach dem Wahl"kampf" sind Union und SPD auf Kuschelkurs, "echte" Konsequenzen für die USA gibt es erst einmal keine und unser herzallerliebster StasiInnenminister Friedrich würde das Überwachungsmodell NSA gerne auch in Deutschland einsetzen - gegen die abertausend islamistischen Terroristen. Die Affäre scheint vorbei.
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Aber was lernen wir aus der NSA-Geschichte?
Nun zum einen, dass "Alle werden überwacht" kaum jemanden interessiert, "Du wirst überwacht" aber schon viel eher. Eine generelle Überwachung ist für viele zu abstrakt ("Ich doch nicht"). Sobald es aber persönlich wird, ist das Interesse inklusive Besorgnis sofort da.

Zum anderen, dass es gerade in der Politik keine Freunde gibt - also wirklich nicht. Das sollte in den Grundzügen jedem klar gewesen sein, der "Skandal" zeigt aber nochmals deutlich, dass diese Prämisse heute nach wie vor gilt und auch bedacht werden sollte, bevor man sich wundert, dass man vom "Freund" überwacht wird und ihm allzu freundschaftlich alle Daten (Flüge, Kontobewegungen,...) überreicht.

Und zu guter Letzt: Vor der eigenen Haustür kehren macht keinem Spaß. Denn die deutschen Geheimdienste überwachen auch - und zwar recht ähnlich zu den Möglichkeiten der Amerikaner/Briten. Aber das ist im ganzen Gerede gegen die NSA/GHCQ untergegangen, sodass die deutschen Geheimdienste - und allen voran Minister Friedrich - fein raus sind.

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Und die Zukunft? Wir werden uns wohl an die Totalüberwachung gewöhnen müssen - gerade online.

Denn eine "echte" Alternative zu vielen amerikanischen Diensten gibt es leider nicht - und selbst wenn, das Internet an sich ist immer noch eine US-Angelegenheit.
Das würde die Telekom ja gerne ändern. Der Vorschlag dazu heißt "Schlandnet" und widerspricht eigentlich dem, was das Internet ist. Und dieser Vorschlag ignoriert auch vollkommen, dass die deutschen Geheimdienste die hier gewonnen Daten an die US-Pendants weiter geben würde - also haben wir nichts gewonnen, außer ein magenta-Netz. Und wer will schon etwas von der Telekom...

Man sieht also: Wenig bis gar nichts wird sich ändern. Denn die Politik kann oder darf nicht gegen die USA feuern - allein schon, weil sie selbst mit im Boot sitzt. Ganz aufhören darf man allerdings nicht mit der Kritik. Denn nur weil sich nichts ändert, heißt das nicht, dass es in Ordnung ist.
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Die NSA-Affäre zeigt, dass die Gesellschaft als Ganzes noch lange nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist. Denn die Überwachung jeglicher Online-Aktivitäten lässt einen Großteil der Bevölkerung kalt - ja sie bestätigen sogar diejenigen, die sich aktiv für die Überwachung entschieden haben.
Und es zeigt sich noch ein anderer Punkt: Mit dem Buzzword Terror kann man nicht nur in den USA machen was man will. Auch hierzulande funktioniert die Masche recht gut und ermöglicht sogar amtierenden Politikern, eine Ausweitung der Überwachung zu fordern, während der größte Überwachungsskandal der Geschichte läuft, ohne ernsthafte Konsequenzen zu fürchten.

Das alles hier ist natürlich nur eine winzig kleine Betrachtungsweise dessen, was alles passiert und nun bekannt ist. Die Briten, die als EU-Mitglied den gesamten Datenverkehr der Partner auswerten, oder die Botschaftsbespitzelungen und so weiter werden alle nicht angesprochen. Der Blog dient als Diskussionsanstoß, also teilt eure Meinung einfach in den Kommentaren mit - eine Diskussion dürfte bei diesem Thema ja recht einfach zu Stande kommen. Bitte beachtet aber, dass es kein Geflame gibt, sonst wird der ganze Spaß schnell beendet.

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Mehr zu Thema: Chronologie der Enthüllungen von Edward Snowden - Golem.de

Chrissik
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Chrissik
22. Nov. 2013, 15:59 Uhr
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